Rechtsprechungsentwicklung zur Herabsetzung der Miete wegen lockdownbedingter Betriebsschließungen 

Aufgrund der weiterhin andauernden Corona-Krise ist die Thematik bezüglich des Bestehens von Mietzinszahlungsverpflichtungen im Falle von lockdownbedingten Schließungen von Ladenlokalen noch immer brandaktuell. Zunächst wurde die Frage der Herabsetzung des Mietzinses in der Rechtsprechung fast einheitlich dahingehend beantwortet, dass eine solche nicht wegen eines Mangels an der Mietsache oder der grundsätzlichen Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht komme. 

Diese richtige Erkenntnis wurde in den vergangenen Monaten von diversen Landgerichten und auch dem Kammergericht Berlin ohne Not aufgeweicht. Es gibt einige gerichtliche Entscheidungen, die über die sog. Störung der Geschäftsgrundlage den Mietzins für die Zeit von lockdownbedingten Schließungen des jeweiligen Geschäftsbetriebs auf 50 % herabsetzen.

Die Begründung dieser Rechtsauffassung der jeweiligen Gerichte überzeugt indes nicht. Eine klarstellende Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm oder des Bundesgerichtshofs ist an dieser Stelle wünschenswert. Die Gerichte setzen sich mit wesentlichen Aspekten der Störung der Geschäftsgrundlage nur sporadisch auseinander und beziehen die den Vermieter begünstigenden Argumente nicht in ihre Entscheidungen ein.

Ursache ist eine Ende des Jahres 2020 eingeführte unglückliche Gesetzesänderung, welche die Diskussion der lockdownbedingten Herabsetzung der Miete noch einmal anheizte. Der Gesetzgeber hatte eine Regelung eingeführt, die widerlegbar vermutet, dass sich wesentliche Umstände, die zur Geschäftsgrundlage des Mietvertrages zwischen den jeweiligen Parteien geworden sind, durch die lockdownbedingten Schließungsanordnungen verändert haben. 

Unserer Auffassung nach ändert sich durch diese gesetzliche Regelung nichts. Das damit angesprochene Tatbestandsmerkmal der Störung der Geschäftsgrundlage war für die vorherigen Entscheidungen, die eine Herabsetzung der Miete abgelehnt haben, ohnehin nicht relevant, da die Rechtsprechung das Tatbestandsmerkmal als gegeben ansah. Die richtigen Entscheidungen der Gerichte, in denen eine Herabsetzung der Miete nicht in Betracht gezogen wurde, wurden vor allem damit begründet, dass der Mieter das Verwendungsrisiko für die Mietsache trage. 

Im Nachgang zu der Gesetzesänderung entschied aber das Kammergericht Berlin beispielsweise, dass eine Herabsetzung um 50 % berechtigt sei. In dem dort streitigen Fall ging es um die lockdownbedingte Schließung einer Spielhalle. Die Richter verlangten nicht einmal die Vorlage von Verkaufszahlen zur Begründung der Unzumutbarkeit des Festhaltens am ursprünglichen Mietzins.

Erfreulicherweise gibt es auch eine obergerichtliche Entscheidung zur gegenteiligen Auffassung. Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied mit Urteil vom 24.02.2021, dass es für die Anwendung der Störung der Geschäftsgrundlage immer auf eine Würdigung der Umstände des Einzelfalls ankomme. Bei dieser müsse berücksichtigt werden, ob ein Umsatzrückgang tatsächlich vorgelegen habe, ob der Mieter die Möglichkeit der Kompensation, etwa durch den Onlinehandel, öffentliche Leistungen, ersparte Aufwendungen oder andere Vermögenswerte gehabt habe.

Dieser Rechtsauffassung schließen wir uns an. Es dürfte u. E. nur in Ausnahmefällen denkbar sein, dass für den jeweiligen Mieter derart gravierende Umstände sprechen, dass ein Festhalten an der ursprünglichen Mietzinszahlungsverpflichtung unbillig wäre. Es bedarf daher der Einzelfallprüfung.

Nach der Gesetzesänderung Ende 2020 und mit Eintritt des zweiten bundesweiten Lockdowns erhielten viele unserer Mandanten Aufforderungsschreiben ihrer Mieter, die darauf abzielten, dass auf 50 % der Miete verzichtet werden solle. Bei der Abwehr dieser, aus unserer Sicht in der Regel unberechtigten Forderungen, waren sämtliche zur Verfügung stehenden Argumente des Einzelfalls aufzuarbeiten und vorzubringen. Unserer Auffassung nach spielt es nämlich auch eine wesentliche Rolle, ob die Herabsetzung u. U. auch für den Vermieter unzumutbar ist, etwa weil dieser die Immobilie kreditfinanziert hat und keine Corona-Hilfen erhält. 

Der Gesetzgeber hat, wie in einer der letzten Ausgaben unserers Immobilien-Newsletters bereits antizipiert, mit seiner Gesetzesänderung eine erhebliche Rechtsunsicherheit geschaffen. Diese erstreckt sich auch auf die Rechtsprechung. Derzeit sind Mieter und Vermieter noch gut beraten, sich das wechselseitige Risiko vergleichsweise abzukaufen. Dabei werden die besseren Argumente zugunsten der Vermieter sprechen. Mittlerweile sind erste Verfahren beim Bundesgerichtshof anhängig. Eine klarstellende Entscheidung wird allseits mit Spannung erwartet. 

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