Organschaft im deutschen USt-Recht: zwei weitere einschneidende Entscheidungen

Der BFH ändert seine Rechtsprechung im Zusammenhang mit der finanziellen Eingliederung und legt dem EuGH ein weiteres Verfahren zur Vorabentscheidung vor.

Beide BFH-Entscheidungen sind letztlich das Ergebnis vorheriger EuGH-Entscheidungen aus Dezember des Vorjahres. Diesen lagen ebenfalls Vorlagefragen des V. und des XI. Senats des BFH zugrunde. In beiden Verfahren hatten sich diverse Fragestellungen zur Unionsrechtskonformität der deutschen umsatzsteuerrechtlichen Organschaft (OS) ergeben, wobei eine dieser Fragestellungen nunmehr seitens des XI. Senats des BFH entschieden wurde; eine weitere Fragestellung wurde dem EuGH seitens des V. Senat zur Entscheidung vorgelegt. 

EuGH Vorlage im Zusammenhang mit Innenleistungen (V. Senat) 

Der V. Senat legt dem EuGH mit Datum vom 26.01.2023 in einem Vorabentscheidungsersuchen eine Frage zur grundsätzlichen Behandlung von Innenumsätzen zu. 

Im zugrunde liegenden Sachverhalt war der Organträger (OT) eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die folglich aus Sicht der USt einen unternehmerischen und einen nicht-unternehmerischen Bereich unterhielt. Die Tochter-OG erbrachte entgeltliche Leistungen – einerseits in den unternehmerischen Bereich – andererseits aber auch in den nicht-unternehmerischen Bereich des OT. Strittig war, ob letztgenannte Leistungen steuerbar sind. Bereits mit Datum vom 1.12.2022 entschied der EuGH, dass keine Entnahmebesteuerung (unentgeltliche Wertabgaben) auf Leistungen in den nicht steuerbaren Bereich vorzunehmen sind. Insofern stellte der BFH nun die neuerliche Frage an den EuGH, ob nicht möglicherweise sämtliche (Innen-)Leistungen zwischen OT und OG steuerbarer Natur sind – entgegen dem bisherigen deutschen Verständnis – zumindest wenn und soweit eine Gefahr von Steuerverlusten droht, da der Leistungsempfänger (hier: der OT), nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. 

Finanzielle Eingliederung (XI. Senat)

Der XI. Senat des BFH hat seit seinem Urteil vom 18.01.23 eine abweichende Sichtweise zur finanziellen Eingliederung einer Organgesellschaft (OG) in einen Organträger (OT).

Die Muttergesellschaft (MG), der potenzielle OT, hielt im in Rede stehenden Sachverhalt zwar 51% der Anteile an der Tochtergesellschaft (TG), jedoch herrschte ein Patt bei der Stimmrechtsverteilung in der Gesellschafterversammlung der TG. Die weiteren beiden Eingliederungsvorausvoraussetzungen einer umsatzsteuerlichen OS waren unstreitig gegeben. In derartigen Fällen war in der Vergangenheit sowohl die Sichtweise des BFH, als auch die der Verwaltung klar: es lag keine Organschaft zur TG vor, da sich die finanzielle Eingliederung vorranging an der Stimmrechtsverteilung orientierte.

Diese Sichtweise hat der BFH nun mit vorgenanntem Urteil revidiert. Es käme weniger auf die Stimmrechteverteilung, als mehr darauf an, dass der Willen des OT auf Ebene der TG durchgesetzt werden könnte. Die finanzielle Eingliederung, so der BFH, sei sehr wohl in der genannten Konstellation gegeben, wenn auch deutlich schwächer ausgeprägt, als die weiteren Voraussetzungen. Ein Ausgleich dazu würde die organisatorische Eingliederung in Gestalt der Personenidentität der Geschäftsführer mit sich bringen. Hierdurch könnte der OT tatsächlich ins tägliche Geschäft der TG eingreifen und seinen Willen durchsetzen; die 50% der Stimmrechte des weiteren Gesellschafters könnten dies zumindest nicht verhindern.

Fazit: 

Zwei weitere Entscheidungen im Zusammenhang mit dem umsatzsteuerlichen „Dauerbrenner“, der Organschaft, zeigen erneut, dass man sich letztlich auf „nichts“ zu 100% verlassen kann. Wenn die Sprengkraft des Urteils vom 18.01. noch als gering(er) einzustufen sein dürfte, da der beschriebene Sachverhalt eher nicht die Norm darstellen dürfte, könnte das Thema der Steuerbarkeit von Innenumsätzen sehr wohl zu grundlegenden Einschnitten bei der umsatzsteuerlichen Organschaft führen.

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