12.11.2025
ViDA: Große Änderungen im Umsatzsteuerrecht
Am 12.02.2025 hat das Europäische Parlament dem Gesetzesentwurf der Europäischen Union (EU) über das Gesetzespaket „VAT in the Digital Age“ (ViDA) zugestimmt, wodurch der Weg für umfassende Reformen im europäischen Umsatzsteuerrecht geebnet wurde. Es treibt die Digitalisierung des Mehrwertsteuersystems voran – insbesondere durch die Einführung der E-Rechnung und erweiterte Meldepflichten –, was Unternehmen kurzfristig vor technische und organisatorische Herausforderungen stellt, langfristig jedoch den grenzüberschreitenden Handel erleichtern soll. Ergänzend sorgen neue Regelungen zur Leistungskettenfiktion und zur Ausweitung des One-Stop-Shop-Verfahrens (OSS) für mehr Steuergerechtigkeit und Kontrolle.
Das ViDA-Paket umfasst im Wesentlichen die folgenden drei Säulen:
1) Einführung der elektronischen Rechnung (sog. E-Rechnung) auf europäischer Ebene und des damit verbundenen digitalen Meldesystems
2) Ausweitung der Liefer- und Leistungskettenfiktion für digitale Plattformen
3) Einführung einer einzigen Mehrwertsteuerregistrierung
Bei der E-Rechnung (wir berichten in diesem Rundschreiben ebenfalls über die Konkretisierungen des Bundesfinanzministeriums durch das zweite Anwendungsschreiben, siehe S. 12) handelt es sich um ein strukturiertes elektronisches Format, das maschinell auslesbar ist und erstmals eine transaktionsbezogene, automatisierte Auswertung umsatzsteuerlicher Vorgänge ermöglicht. Die E-Rechnung bildet damit zugleich die Grundlage für die digitale Meldepflicht, die einem nahezu echtzeitnahen Meldeverfahren entspricht und zukünftig die Zusammenfassende Meldung ersetzen soll.
Bereits mit dem Wachstumschancengesetz hat Deutschland unter Berücksichtigung von Übergangsfristen die obligatorische elektronische Rechnung für inländische B2B-Umsätze ab dem 01.01.2025 eingeführt. Ausgenommen sind Rechnungen über steuerfreie Leistungen gemäß § 4 Nr. 8 bis 29 Umsatzsteuergesetz, Kleinbeträge bis 250 € und Fahrausweise sowie Leistungen von Kleinunternehmern. Mit dem ViDA-Paket wird ab dem 01.07.2030 die Verpflichtung zur elektronischen Rechnungsstellung auch bei innergemeinschaftlichen Lieferungen und innergemeinschaftlichem Verbringen sowie bei Ausgangsumsätzen mit Steuerschuldübergang eingeführt.
Darüber hinaus wird ab dem 01.01.2027 durch das ViDA-Paket die fingierte Lieferkette bei Verkäufen über digitale Plattformen auch auf den B2B-Bereich ausgeweitet, wenn der Verkäufer außerhalb der EU ansässig ist. Künftig wird bei Lieferungen an steuerpflichtige Unternehmer oder bestimmte nicht steuerpflichtige juristische Personen daher ein Reihengeschäft fingiert. Der Drittlandsverkäufer liefert fiktiv an die Plattform (steuerfrei), die Plattform liefert steuerpflichtig an den Endkunden. Zusätzlich wird eine Lieferkettenfiktion für Kurzzeitvermietungen (z. B. über Airbnb) und Personenbeförderungen (z. B. über Uber) über digitale Plattformen eingeführt. Damit wird die Plattform zum Steuerschuldner und nur noch diese muss sich – falls erforderlich – im EU-Gebiet registrieren (z. B. über OSS). Dadurch wird die Steuererhebung gesichert und die Wettbewerbsgleichheit gestärkt.
Als dritte Säule sieht das ViDA-Paket eine Erweiterung des OSS vor, um international tätige Unternehmen die Notwendigkeit mehrfacher Mehrwertsteuerregistrierungen in der EU zu ersparen. Die oben dargestellte Lieferkettenfiktion unterstützt diese Maßnahme. Darüber hinaus soll das OSS-Verfahren ab 2027 bzw. 2028 auf neue Leistungsarten ausgeweitet werden, wie Dienstleistungen von Drittlandsunternehmern an EU-Verbraucher, auch wenn diese nicht in der EU ansässig sind, innerstaatliche Lieferungen im EU-Ausland (ab dem 01.07.2028) oder innergemeinschaftliches Verbringen.
Fazit: Das ViDA-Paket markiert einen bedeutenden Schritt hin zu einem moderneren, digitalisierten und EU-weit stärker harmonisierten Mehrwertsteuersystem, bringt jedoch weiterhin Umsetzungsaufwand mit sich und bleibt in Teilen hinter dem Ziel einer vollständigen Vereinheitlichung zurück.