14.07.2023
BFH urteilt zur fremdüblichen Verzinsung einer Darlehensforderung gegenüber dem Gesellschafter
Leistungsbeziehungen zwischen Kapitalgesellschaften und deren Gesellschaftern müssen aus steuerlicher Sicht stets den Kriterien entsprechen, welche fremde Dritte miteinander vereinbart hätten. Dieser Grundsatz ist in der Praxis in vielen Fällen auslegungsbedürftig und oftmals streitanfällig. Der BFH hat nun in einem beachtenswerten Urteil vom 22.02.2023 (Az. I R 27/20) klargestellt, welche Vergleichsmaßstäbe bei einer Verzinsung einer Darlehensforderung gegenüber einem Gesellschafter heranzuziehen sind. Die unangemessen niedrige oder unterbliebene Verzinsung eines Gesellschafter-Verrechnungskontos mit einem Saldo zugunsten der GmbH führt bei der GmbH zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA).
Die Klägerin war eine GmbH, die für ihren Gesellschafter ein Verrechnungskonto führte, das in den Streitjahren 2014 und 2015 einen Saldo von etwa 200.000 € zugunsten der Klägerin auswies. Eine Verzinsung des Saldos des Verrechnungskontos erfolgte weder 2014 noch 2015. Die Höhe der vGA richtet sich grundsätzlich nach dem sog. Margenteilungsgrundsatz, bei dem sich die GmbH und der Gesellschafter die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen.
Der BFH bestätigte eine vGA i. H. eines Zinssatzes von 4,5 %, weil dieser Zinssatz die Mitte von 0 % Habenzinssatz und 9 % Sollzinssatz darstellte. Gegen den Ansatz nur des Habenzinssatzes sprach aus Sicht des BFH insbesondere auch die fehlende Besicherung.
Der BFH lehnt es ab, allein auf die Höhe der Habenzinsen abzustellen, die die GmbH bei einer Anlage des Forderungsbetrags bei der Bank hätte erzielen können, und bei der Prüfung des Gesellschafters auf die Sollzinsen abzustellen. Denn der Forderung liegt ein einheitliches Rechtsverhältnis in Gestalt eines Kredits zugrunde, so dass eine einheitliche Betrachtung in Gestalt einer Margenteilung geboten ist.
Einordnung:
Das Festhalten am sog. Margenteilungsgrundsatz ist aus unserer Sicht nicht überzeugend, denn im Streitfall ging es um das Einkommen der GmbH. Es sollte darauf abzustellen sein, welchen Zinssatz die Klägerin bei einer fremdüblichen Darlehensgewährung unter Berücksichtigung der Besicherung erhalten hätte.
Nach dem „Margenteilungsgrundsatz“ muss zunächst danach unterschieden werden, ob die Gesellschaft das an den Gesellschafter gewährte Darlehen ihrerseits finanziert hat oder nicht. Ist das nicht der Fall, bilden die banküblichen Habenzinsen die Unter- und die banküblichen Sollzinsen die Obergrenze der verhinderten Vermögensmehrung der Gesellschaft. Der im Einzelfall maßgebliche Betrag innerhalb der vorgenannten Marge ist schließlich durch Schätzung zu ermitteln, wobei dem Ausfallrisiko des Darlehens besondere Bedeutung zukommt. Sind keine anderen Anhaltspunkte für die Schätzung erkennbar, ist es nicht zu beanstanden, wenn von dem Erfahrungssatz ausgegangen wird, dass sich private Darlehensgeber und -nehmer die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen. Diese Teilung der Marge soll auf einer Beobachtung des Wirtschaftslebens und damit auf einem Erfahrungssatz beruhen, den der BFH als fremdübliches Verhalten auch für das Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter annimmt. Auf das Argument der Revision, in den Streitjahren habe ein Niedrigzinsniveau geherrscht, verbunden mit von Banken erhobenen „Strafzinsen“, weshalb es an einer verhinderten Vermögensmehrung von vornherein gefehlt habe, entgegnet der BFH, der bankübliche Habenzins sei nicht alleiniger Maßstab für die Fremdvergleichsprüfung.
Maßgebliches Argument für das Vorliegen einer vGA sei, dass der BFH dem nicht vergüteten Entzug von Liquidität zu Lasten der Kapitalgesellschaft regelmäßig eine vGA sehe (z. B. BFH, Urteil v. 17.12.1997, Az. I R 70/97).
Denn es sei zwischen fremden Dritten grundsätzlich nicht vorstellbar, dass Kapital und die damit verbundene Nutzungsmöglichkeit (Ertragschance) unentgeltlich und – wie im Streitfall – ohne Sicherheiten zur Verfügung gestellt würden. Die Schätzung des Zinssatzes des Finanzgerichts (4,5 %) sei nur eingeschränkt revisionsrechtlich überprüfbar, Schätzfehler seien aber nicht ersichtlich. Das Finanzgericht ist zulässig von banküblichen Habenzinsen nahe 0 % und banküblichen Überziehungszinsen (Sollzinsen) von rund 9 % und entsprechend der Margenteilung von 4,5 % ausgegangen. Die Klägerin hatte vorgebracht, der Drittvergleich dürfe sich ausschließlich an den Habenzinsen orientieren, der BFH lehnt dies mit der im Streitfall vollständig fehlenden Besicherung der Darlehensforderung ab.
Empfehlung: Das BFH-Urteil ist äußerst praxisrelevant, weil es die Grundsätze, mittels derer eine fremdübliche Verzinsung zu ermitteln ist, zusammenfasst und weiter erläutert. Die Grundsätze des Urteils werden aller Wahrscheinlichkeit nach durch die Finanzverwaltung für sämtliche unentgeltliche oder zu niedrig verzinste Kapitalüberlassungen an Gesellschafter angewandt werden. Es sollte daher proaktiv geprüft werden, inwieweit eine Anpassung der Verzinsung von Forderungen gegenüber Gesellschaftern oder eine Besicherung vorzunehmen ist.