01.03.2023
Inkrafttreten des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz trat am 01.01.2023 in Kraft. Dieses soll die Einhaltung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten sicherstellen. Indirekt betroffen kann auch sein, wer zum Beispiel als Zulieferer mittelbar durch entsprechende Vertragsklauseln an die Einhaltung gebunden wird.
Mit Verabschiedung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sind Unternehmen mit Hauptverwaltung, Hauptniederlassung, Verwaltungssitz, satzungsmäßigem Sitz oder Zweigniederlassung sowie 3.000 (ab 01.01.2024: 1.000) Arbeitnehmern im Inland verpflichtet, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Als Lieferkette definiert werden alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich sind, angefangen bei der Gewinnung der Rohstoffe bis hin zu der Lieferung an den Endkunden. Das Gesetz gilt entlang der gesamten Lieferkette. Insbesondere werden die unmittelbaren Zulieferer vom Verpflichteten besonders in den Blick genommen. Die konkreten Pflichten sind individuell und bestimmen sich nach den Möglichkeiten unternehmerischer Einflussnahme bezogen auf den eigenen Geschäftsbereich, das Handeln des Vertragspartners und das Handeln weiterer Zulieferer. Verpflichtend sind neben Berichtspflichten, die Einrichtung eines effektiven Risikomanagements und die Durchführung von Risikoanalysen sowie das Treffen von (präventiven) Maßnahmen, wenn Risiken oder Missstände entdeckt werden. Mittelbar betroffene Unternehmen können von ihren Vertragspartnern durch interne Audits auf die Einhaltung der vertraglichen Pflichten überprüft werden. Bei Verstößen droht dem unmittelbar Verpflichteten zwar – noch – kein Schadensersatz, aber erhebliche Bußgelder von bis zu 2 % des Jahresumsatzes. Flankiert wird das Gesetz von der kürzlich veröffentlichten europäischen Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen.
Die Themen Corporate Social Responsibility und Compliance gewinnen unter dem ungebrochen starken Einfluss europäischen Rechts in den kommenden Jahren immer mehr an Bedeutung. Grenzüberschreitend agierende Unternehmen müssen unter Umständen, z.B. in Frankreich und in den Niederlanden ähnliche oder teils sogar weitergehende Pflichten erfüllen. Auch die aktuellen Pläne der Europäischen Kommission zu einem europäischen Rechtsrahmen weisen darauf hin, dass Compliance-Pflichten künftig verschärft werden. Unmittelbar betroffen sind nach einer von der Kommission verabschiedeten Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung Kapitalgesellschaften, die entweder einen weltweiten Nettoumsatz von mindestens 150 Mio. € bei mehr als 500 Beschäftigten erzielen oder in einem Schlüsselsektor tätig sind und einen weltweiten Nettoumsatz von wenigstens 40 Mio. € bei durchschnittlich mindestens 250 Beschäftigten erzielen, sofern wenigstens 50 % des Umsatzes aus Schlüsselsektoren stammt. Daneben steht unter anderem eine zivilrechtliche Haftung im Raum. Eine Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht hat bis zum 06.07.2024 zu erfolgen.
Das Bundesarbeitsministerium stellt über eine eigens eingerichtete Internetseite Fragen und Antworten mit ersten allgemeinen Erläuterungen und Arbeitshilfen vor. Optimierungen des unternehmenseigenen Compliance-Management-Systems sollten jedoch nicht allein hierauf aufgebaut werden, da die Anforderungen auch in anderen Compliance-Bereichen erheblich gestiegen sind. Ein weitergehender, ganzheitlicher Ansatz verbessert im Zweifel die Effektivität des gesamten Systems. Auch sollte eine regelmäßige Überprüfung erfolgen. Das Bundesarbeitsministerium ist gesetzlich ermächtigt, die teils nur rudimentär geregelten Sorgfaltspflichten weiter zu konkretisieren und damit unter Umständen zu verschärfen.
Kurzfristig wird angesichts der Komplexität vieler Lieferketten empfohlen, zumindest eine Mitigation der größten identifizierten Risiken zu betreiben. Die Bemühungen sollten mit Blick auf mögliche Bußgelder genauestens dokumentiert und in Abstimmung mit Spezialisten durchgeführt werden. Langfristig sollten bei der Implementierung bzw. Optimierung des eigenen Compliance-Management-Systems auch die Entwicklungen auf europäischer Ebene im Blick behalten werden. Beispielsweise wird derzeit an einer Verordnung für entwaldungsfreie Agrarlieferketten gearbeitet, die voraussichtlich Mitte 2023 in Kraft treten soll.
Empfehlung: Betroffene Unternehmen sollten sich kurzfristig mit der Einrichtung interner Prozesse zur effizienten Erfassung der für die künftigen Berichte erforderlichen Informationen befassen.