15.05.2024

Zur Berufung auf den Rechtsschein bei entlassenem Geschäftsführer

Solange ein Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen ist, können sich Dritte auf den Rechtsschein der im Handelsregister eingetragenen Vertretungsmacht verlassen. Dies dient dazu, die Rechtssicherheit im Geschäftsverkehr zu gewährleisten und schützt die berechtigten Erwartungen von Vertragspartnern, auch wenn der Geschäftsführer seine Vertretungsmacht überschritten hat. Dies gilt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs vom 09.01.2024 nicht, wenn man positive Kenntnis von dessen Entlassung hat oder sich ein Missbrauch der Vollmacht aufdrängt.

Die klagende GmbH verkaufte, vertreten durch ihren bereits abberufenen Geschäftsführer, ihr Grundstück mit Gewerbe- und Wohneinheiten. Dieses Grundstück stellte im Wesentlichen den einzigen Vermögenswert der GmbH dar. Der Verkauf erfolgte ohne zustimmenden Gesellschafterbeschluss. Nach dem Verkauf verlangte die GmbH vom Käufer die Zustimmung zur Löschung der zuvor im Grundbuch eingetragenen Auflassungsvormerkung, da der Grundstückskaufvertrag nicht wirksam geschlossen worden sei. Der Käufer lehnt dies mit der Behauptung ab, der Notar habe das Fehlen eines Gesellschafterbeschlusses über den Verkauf für unschädlich gehalten. Weiter erklärte der Käufer, dass er zwar wusste, dass der Geschäftsführer abberufen worden war, er aber auch die Zweifel zur Wirksamkeit der Abberufung kannte. Aus seiner Sicht sei der Kaufvertrag wirksam. Der Bundesgerichtshof entschied am 09.01.2024, dass der Geschäftsführer der GmbH bei der Beurkundung des Kaufvertrages zwar nicht mehr über organschaftliche Vertretungsmacht verfügte. Gleichwohl müsse sich die GmbH wegen des Rechtsscheins des Handelsregisters so behandeln lassen, als bestehe die Vertretungsmacht fort. Dies gelte lediglich dann nicht, wenn der Dritte – in diesem Fall der Käufer – positive Kenntnis von der wirksamen Abberufung des Geschäftsführers habe. Eine wirksame Abberufung liegt jedoch erst dann vor, wenn der Abberufungsbeschluss nicht mehr angegriffen werden kann. Zu beachten ist, dass bereits Zweifel des Dritten an der Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses eine positive Kenntnis der wirksamen Abberufung ausschließen. Diese Zweifel können nach Ansicht des Bundesgerichtshofs dann vorliegen, wenn der Dritte weiß, dass Meinungsverschiedenheiten der Gesellschafter über die Wirksamkeit der Abberufung bestehen, die typischerweise eine Beschlussmängelklage nach sich ziehen. Dies war im zu beurteilenden Sachverhalt der Fall, sodass der Käufer keine positive Kenntnis von der Abberufung des Geschäftsführers hatte und demnach grundsätzlich von der Vertretungsmacht des Geschäftsführers ausgehen durfte. In einem zweiten Schritt hat der Bundesgerichtshof geprüft, ob sich Schranken für den Rechtsscheintatbestand– auch mit Wirkung gegenüber Dritten – aus den Grundsätzen des Missbrauchs der Vertretungsmacht ergeben könnten. Die Vertretungsmacht des Geschäftsführers einer GmbH ist im Außenverhältnis unbeschränkbar. In der Regel trägt der Vertretene (hier die GmbH) das Risiko einer missbräuchlichen Verwendung der Vertretungsmacht. Allerdings wirkt sich der Missbrauch im Außenverhältnis aus, wenn sich die fehlende Vertretungsmacht für den Dritten – also den Käufer - wegen eines fehlenden Gesellschafterbeschlusses aufdrängen musste. In diesem Fall ist sein Vertrauen auf den Rechtsschein nicht schutzwürdig.
Der Bundesgerichtshof konnte nicht zweifelsfrei feststellen, ob der Dritte hätte wissen müssen, dass es bei der Veräußerung des Grundstücks als wesentliches Vermögen der GmbH eines Gesellschafterbeschlusses bedurft hätte. Die Sache wurde deshalb zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Fazit: Die Entscheidung verdeutlicht, dass die Abberufung eines Geschäftsführers unverzüglich zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden ist. Andernfalls kann sich der Dritte auf den Rechtsschein des Registers berufen, wenn der Geschäftsführer kommuniziert, die Abberufung sei möglicherweise unwirksam.

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